Haushaltsrede FDP Dr. Peter Büttner, Dezember 2020
(gehalten durch Alexander H. Klüh)
Herr Vorsitzender,
Meine Damen und Herren,
zunächst lässt sie Herr Dr. Büttner recht herzlich aus der häuslichen Quarantäne grüßen, und drückt sein Bedauern aus, dass er erstmals seit 35 Jahren nicht persönlich an den Haushaltsberatungen teilnehmen kann. Dieser Umstand hat mich nun plötzlich und unerwartet in diese Situation und an diese Stelle gebracht.
Nun, es ist schon eine Herausforderung, in den verabredeten 5 Minuten die dynamische und komplexe Situation der Stadt Schlüchtern zu beleuchten und sich dazu politisch zu positionieren. (Dies ließen meine Vorredner bereits mehr oder weniger deutlich erkennen.)
Die stürmische Stadtentwicklung ist ohne Beispiel in den letzten Jahren. Die Anzahl der Projekte, die Größenordnung, die Chancen, aber auch die Risiken – alles außergewöhnlich.
Und dann noch Covid-19.
Viele Bürger fragen sich „Ist das alles nicht zu viel, wisst ihr, was ihr da tut, stemmt die Verwaltung das alles?“
Und: „Was passiert, wenn die Wirtschaft sich nicht so schnell erholt wie erhofft, wenn sich die Erwartungen an die unterschiedlichen Projekte nicht so einlösen, wie erhofft?“
Und man fragt: „Wäre es nicht besser, Fahrt heraus zu nehmen, auf Sicherheit zu gehen?“
Und: „Nicht alles, was gefördert wird, muss man auch tun!“
Dies waren die Fragen des vergangenen Jahres und sie werden sich 2021 noch dringender stellen. Ich nehme 4 ausgewählte Bereiche heraus, um an diesen beispielhaft unsere Positionen aufzuzeigen.
1. Wohnen
Die prognostizierte demographische Entwicklung von Schlüchtern bis 2035 ist besorgniserregend. Dies gilt sowohl für die abnehmende Zahl der Bevölkerung als solche (minus 4,8 %), wie aber auch für die Altersstruktur, die für 2035 einen Bevölkerungsanteil der 60 – 80-jährigen auf 40 % erwartet. Dies hat gravierende Auswirkungen z.B. auf die Kaufkraft und den Schulstandort.
Wir brauchen also Zuzug. Dies ist die einzige Chance, den Trend umzukehren.
Dafür brauchen wir Baugebiete. Die Bauplätze im Brunkenberg sind bereits verkauft. Wallroth wird vermutlich ebenso schnell über die Bühne gehen. Aber wir brauchen mehr und müssen unbedingt weitere Gebiete ausweisen. Im letzten Haushalt hatten wir 10.000,- Euro für eine diesbezügliche Planung eingestellt, die bis jetzt noch nicht begonnen wurde. Vorrang haben dabei Baugebiete in der Innenstadt, aber auch die Identifikation von Baulücken und Leerständen. Dies gilt im Besonderen auch für die Ortsteile.
2. Wirtschaft
Wir müssen zudem weitere Gewerbegebiete ausweisen. Bevorzugt in Autobahnnähe. Dabei ist darauf zu achten, dass das Ansiedlungskonzept kleine bis mittelgroße Unternehmen unterschiedlicher Branchen vorsieht.
Die Stadtentwicklungsgesellschaft ist zu begrüßen. Wir hatten diese bereits vor Jahren vorgeschlagen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die parlamentarische Kontrolle gewährt bleibt, da die Stadt als Gesellschafter letztlich für alles haftet. Die Vorteile liegen auf der Hand. Flexibilität und schnelle Handlungsmöglichkeiten. Sie darf aber auch nicht zur Spielwiese des Bürgermeisters werden.
Das Projekt „Langer Areal“ birgt enorme Gestaltungs- und Entwicklungschancen, aber es gibt auch erhebliche Risiken auf die zu achten ist. Wenn sich z.B. einige erhoffte Parameter verschlechtern, tritt sehr schnell eine finanzielle und strukturelle Schieflage ein. Es gilt bereits jetzt, Plan B und C zu entwickeln. Die interkommunale Zusammenarbeit ist bedeutsam und muss dringendst weiterentwickelt werden.
3. Soziales und Kultur
Das Kultur- und Begegnungszentrum kann gelingen:
- wenn genügend Kunden kommen
- wenn die angenommene Personalstärke ausreicht
- wenn die unterstellten Synergieprozesse durch ein flexibles und engagiertes Team funktionieren und
- wenn die externe wirtschaftliche Entwicklung all dies begünstigt.
Wenn nicht, haben wir eine riesige finanzielle Belastung an Bord.
Der Kauf der Synagoge und des Rabbinerhauses war alternativlos und richtig zugleich. Ein Förderverein sollte die Restaurierung und konzeptionelle Entwicklung aus der Bürgerschaft heraus begleiten und mithelfen, die Finanzierung dieses „Leuchtturms“ zu gewährleisten.
Die Schlüchterner Vereine habe einen wesentlichen Anteil an der sozialen Kultur dieser Stadt. Die Pandemie hat ihnen zugesetzt und es geht darum, sie zu stärken und zu unterstützen. Die 45.000 Euro, die für die Vereine als Notfallfonds eingerichtet worden, sind nicht voll ausgeschöpft worden, wir wissen heute nicht, wie lange die Pandemie uns noch belastet. Von daher schlagen wir vor, den nicht in Anspruch genommenen Betrag von ca. 10.000 Euro in diesem Fond zu belassen und ihn bei Bedarf ggf. aufzustocken.
Der Kita-Bereich wird weitere Kostenentwicklungen auslösen. Mit jedem Baugebiet entsteht weiterer Bedarf an Kita-Plätzen. Von daher ist jedes weitere Engagement im Rahmen freiwilliger sozialer Leistungen kritisch zu sehen.
4. Haushalt
Dass der Haushalt trotz der vielen Projekte und trotz der Pandemie ausgeglichen ist, ist natürlich zu begrüßen und dem ist Respekt zu zollen. Aber es muss darauf verwiesen werden, dass das alles eng genäht ist. Wir sind unter vollen Segeln und hoher Geschwindigkeit in die pandemische Flaute hinein gesegelt. Die wirtschaftlichen Folgen kommen erst noch und sind noch gar nicht abzuschätzen. Wenn sich diese Folgen möglicherweise verknüpfen mit Fehleinschätzungen in der Rentabilität mancher Projekte, dann können wir, um im Bilde zu bleiben, schnell auf Grund laufen. Nun, wir haben alle Entscheidungen zu diesem Thema mitgetragen, im Bewusstsein der Risiken, umso mehr klage ich hier eine enge und transparente Kontrolle der Projektverläufe mit regelmäßiger Berichterstattung an das Parlament ein, damit wir gemeinsam schnell reagieren können.
Trotz allem, wir werden diesem Haushalt zustimmen.
Ich bedanke mich bei Frau Kohlhepp für die wie immer konstruktive Kooperation und Informationsbereitschaft und bei ihrem gesamten Team für die Erstellung dieses Haushalts.