Dr. Peter Büttner (FDP) stellte in der heutigen Stadtverordnetenversammlung die Ergebnisse der Diskussionen aus dem Sozialausschuss vor.
Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 22.06.2020
zur Beauftragung des Sozialausschusses zur Prüfung der Gesamtkonzeption des Kultur- und Begegnungszentrums sowie der Teilkonzepte der einzelnen Funktions- und Angebotsbereiche.
Zwei Sitzungstermine: 29.06./23.09.2020
Beschluss (6 dafür, 0 dagegen, 1 Enthaltung):
Nach Prüfung der Gesamtkonzeption des Kultur- und Begegnungszentrums sowie der Teilkonzepte der einzelnen Funktions- und Angebotsbereiche unter Berücksichtigung der zu erwartenden Kosten für die Stadt Schlüchtern, und mit Kenntnisnahme der kritischen und ergänzenden Feststellungen zur Konzeption und den Kostenschätzungen, empfiehlt der Sozialausschuss der Stadtverordnetenversammlung dem Bau des Kultur- und Begegnungszentrums mit den geplanten Teilbereichen gemäß den vorliegenden Unterlagen zuzustimmen.
Zu prüfen und zu beachten sind hierbei folgende Punkte:
- Die Personalausstattung der einzelnen Teilbereiche, insbesondere die der Kindererlebniswelt, ist zu überprüfen. Qualitätseinbußen aufgrund von Personalmangel können sich negativ auf das Gesamtbild des Projektes und damit auf das Image der Stadt auswirken.Das vorgestellte Personalportfolio (und damit verbunden die Kosten) setzt eine ungewöhnliche Flexibilität auf Einsatzorte und Aufgaben voraus. Falls man zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die Mitarbeiteranzahl in den Bereichen Kindererlebniswelt, der Weitzelbücherei und des „Check In“ nicht ausreichend ist, da erwartet wird, dass sie an unterschiedlichen Einsatzorten mitarbeiten, wären Nachbesserungen und höhere Personalkosten die Folge. Dies soll anhand von Dienstplänen und Stundenberechnungen überprüft werden, die noch durchzuführen sind. In einem weiteren Schritt sollten der Arbeitsumfang und die Aufgaben der jeweiligen Mitarbeiter in diesen Bereichen definiert und festgelegt werden, sowie die Flexibilität, Kompetenz und Bereitschaft hierzu geprüft werden.
- Die Annahmen zur Auslastung und Inanspruchnahme der Kindererlebniswelt stellen naturgemäß ein Risiko dar. Sie beruhen vor allem auf dem Benchmarking einer ähnlichen Einrichtung (Rumpelburg, Bad Langensalza). Tritt dies nicht ein, ändern sich sofort die finanziellen Parameter.
- Die gewählte Abschreibungsvariante begünstigt das errechnete positive Ergebnis dieses Bereichs in Höhe von 17.000,- Euro pro Jahr, allerdings reichen die erwirtschafteten Abschreibungen mit diesem Modell auf lange Sicht nicht sowohl die Tilgung zu bewältigen, hohe abschreibungspflichtige Instandhaltungskosten zu tragen und ggf. am Ende der Laufzeit einen Ersatzbau zu errichten. Dies gelänge nur dann, wenn zu diesem Zeitpunkt eine ähnliche Bezuschussungslage eintritt wie gegenwärtig. Hier bleibt ein Restrisiko. Die Verwaltung wird aufgefordert im Rahmen der haushalterischen Darstellung eine transparente und überprüfbare Abbildung der Kostenentwicklung im Kultur- und Begegnungszentrum umzusetzen. Damit wären schnellere und effizientere Reaktionen und Steuerungen möglich.
Zusammenfassend: Das Gesamtprojekt Kultur- und Begegnungszentrum ist positiv einzuschätzen, es birgt große Chancen im Kontext der Stadtentwicklung und ist ein wichtiger Baustein in der Gesamtentwicklung der Stadt.
Aber es birgt eben auch die benannten, nicht unbeträchtlichen Risiken. Der Ausschuss hat in seiner großen Mehrheit betont, angesichts der Chancen eben auch die Risiken zu benennen und empfohlen, das Projekt mitzutragen und in dieser Abschätzung auch sogenannte Prüfsensoren zu installieren, um ggf. zeitnah nachsteuern zu können.
Klüh: “Das wird ein Millionengrab”
“Mich hat das Konzept des Kultur- und Begegnungszentrums von Anfang an nicht überzeugt – und alle dazu erfolgten Sitzungen und Konkretisierungen haben das nur noch schlimmer gemacht. Ich bin mir leider ziemlich sicher, dort wird in der Stadtmitte ein Millionengrab errichtet”, erklärt Alexander H. Klüh. Er betont aber gleichermaßen, das er in diesem Fall für sich selbst als Stadtverordneter spreche und nicht die Meinung der FDP-Fraktion wiedergebe. Für die Begründung seiner Ablehnung holt er weit aus: “Bereits in der vergangenen Legislaturperiode haben mein damaliger Kollege Patrick Ommert und ich uns gegen einen Lebensmittelmarkt ‘hinter dem Langer’ ausgesprochen, da wir dies nicht für den großen Wurf gehalten haben, der den Langer hätte retten und die Innenstadt aufwerten können”, erinnert sich Klüh. Die daraufhin erfolgte Wohnbebauung sei als deutlich sinnvoller zu erachten. Auch den späteren Erwerb des Langer-Anwesens habe er mitgetragen, da er dies für eine einmalige, eine historische Chance betrachte, die Innenstadt an dieser 1a-Lage für die nächsten Jahrzehnte neu zu entwickeln. Doch was jetzt dort errichtet werden soll, hält Klüh “höchstens für ein Leuchttumprojekt, das seine Strahlkraft im Schwarzbuch der Steuerzahler” entfalten werde. “Die Stadt baut hier für (geplant) über neun Millionen Euro ein viergeschossiges Gebäude, von dem nur anderthalb Geschosse gebraucht werden (für Kindergarten, Bibliothek etc.). Auf weiteren zwei Geschossen entsteht eine Kindererlebniswelt, von der niemand weiß ob sie angenommen wird und wie sie sinnvoll betrieben werden kann”, resümiert der Stadtverordnete.
“Erst nur kommunal, jetzt doch gewerblich”
Zudem seien in zahlreichen Sitzungen völlig diffuse und widersprüchliche Aussagen zur Förderkulisse getroffen worden: “Zunächst hieß es, wir dürfen dort nur kommunale, keine gewerblichen Angebote schaffen. Dann kam die Kindererlebniswelt ins Spiel, die eindeutig gewerblich ist. In der ersten Planung wurde diese als defizitär vorgestellt: Man dürfe in diesem Gebäude keine Gewinne machen, hieß es dazu aus der Verwaltung. Nach Kritik von verschiedenen Stadtverordneten sind die Planzahlen nun leicht im Plus. Man weiß in diesem Zusammenhang mittlerweile nicht mehr, was man noch glauben soll. Das ein Fördermittelgeber verlangt, nur defizitäre Projekte zu realisieren, das hätte ich gerne schwarz auf weiß gesehen”, so Klüh. Seine Kritik geht noch weiter: “Das gestalterische Element einer Volkswirtschaft ist und bleibt der Unternehmer. Dass hier ein Angebot geschaffen wird, das Mitbewerbern, beispielsweise in Steinau oder Fulda mit Fördermitteln subventioniert Konkurrenz macht, ist unlauter. Dass es sich bei Fördermitteln immer um Steuergelder handelt, die Bürger und Unternehmer redlich verdient haben, bleibt in der Diskussion meist unerwähnt. Hier kann man den betroffenen Firmen eigentlich nur zur Konkurrentenklage raten.” Auch das später vorgelegte Betreiberkonzept sei samt Zahlen nicht schlüssig. “Die Stadt sollte sich auf ihre Kernaufgaben als Verwaltung rückbesinnen. Jeder Stadtverordnete kann sich ja mal selbst fragen, wann das letzte Mal ein Antrag oder eine Anfrage aus dem Stadtparlament ordnungsgemäß oder zeitnah bearbeitet wurde. Für unternehmerische Betätigung fehle einer Verwaltung schon der Anlass und erst recht die Kompetenz”, meint Klüh. “Hätten wir hier auf vier Geschossen den innovativsten Kindergarten oder das modernste Behördenzentrum der Welt gebaut, hätte ich gerne mitgestimmt. Unter den geschilderten Umständen muss man jedoch ablehnen.”