30.01.2023: Haushaltsrede 2023

Alexander H. Klüh

Haushaltsrede 2023 | 30. Januar 2023

Alexander H. Klüh, FDP Fraktion

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren,

als ich Sie das letzte Mal aus selbigem Anlass von dieser Stelle begrüßte, war mein Auftritt recht kurzfristig zustande gekommen:

Wir schrieben Dezember 2020, unser FDP Fraktionsvorsitzender Dr. Büttner informierte mich gegen 14:30 Uhr

er habe sich in häusliche Isolation begeben müssen und könne folglich am Abend nicht erscheinen. Hm.

Nun, in diesem Jahr ist der Auftritt deutlich entspannter:

Kollege Büttner erfreut sich bester Gesundheit, meint,

ich könne mich schon Mal etwas in mein künftiges „Amt“ als Fraktionsvorsitzender einleben,

grüßt schließlich aus den Bergen –

und so blieb mir eben auch etwas mehr Zeit zur Vorbereitung dieser Zeilen.

Dieser kleine und eher private Rückblick sollte mich aber auch beim Verfassen dieser Zeilen leiten:

Quo vadis – wo kommen wir her und wo soll die Reise hingehen?

Auf den Brexit folgte Covid-19,

begleitete uns durch die Jahre 20 und 21,

um dann direkt und unmittelbar durch den Ukraine-Konflikt abgelöst zu werden, der sich anschließend zur handfesten Krise ausgewachsen hat.

Beim Betrachten unser Haushaltsreden der vergangenen Jahre fiel mir auf, das vieles, was mit mahnenden Worten begann, Jahr für Jahr zur Wirklichkeit wurde.

Während Corona erstaunlicherweise keine – oder zumindest keine größeren – haushalterischen Auswirkungen nach sich zog,

schlägt sich die Ukraine-Krise vor allem mit gestiegenen Energiepreisen, höheren Zinsen und allgemeiner Inflation direkt und unmittelbar im Etat nieder.

Ein weiterer Verlauf,

wie sich diese Lage weltpolitisch und gesamtwirtschaftlich entwickeln wird, ist nicht absehbar,

ein mögliches Ende, eine Lösung, gar Frieden,

derzeit nicht in Sicht – im Gegenteil.

Inwieweit dies die Stadt selbst, aber auch das Gewerbe und dessen Einnahmen beeinflussen wird, ist ebenso wenig absehbar.

Das wir erneut mit einem blauen Auge davon kommen werden, bleibt zu hoffen.

Zudem tangiert den vorliegenden Haushalt eine Zäsur des Landes Hessen: Nämlich Schlüchtern aus dem „ländlichen Raum“ heraus zu nehmen

und fortan einer Art „Verdichtungszone“ zuzuordnen, deren gedankliche Linie sich wohl entlang der Autobahn schlängelt.

Hier werden aufgrund unserer topographischen und infrastrukturellen Lage Vorteile unterstellt, für die sich noch herausstellen muss, ob sie tatsächlich so und in welcher Ausprägung vorhanden sind.

Dafür gibt das Land zehn Jahre Zeit, diese Vorteile zu nutzen und auszubauen, bevor dann die entsprechenden Kompensationszahlungen eingestellt werden.

Dies, meine Damen und Herren, sind allesamt Aspekte und Rahmenbedingungen, die mit kaufmännischen Blick, aus liberaler Sicht, unser aktuelles und künftiges Handeln, begleiten sollten.

Was sich wie ein roter Faden durch unsere Haushaltsreden der letzten Jahre zieht:

Bei all der Euphorie über zur Verfügung stehende Fördermillionen

und dem Optimismus,

die zahlreichen begonnenen Projekte auch zu Ende bringen

zu wollen und können,

ist die Mahnung,

zu Überprüfen, ob man nicht vielleicht zu viele Projekte gleichzeitig zu bewerkstelligen versucht

und ob man sich in der Verwaltung sicher ist, noch alles unter Kontrolle zu haben.

Dazu finden sich auch in diesem Haushalt an mehreren Stellen Hinweise, das dies in der Vergangenheit nicht immer gelang.

Bevor ich konkret zum vorliegenden Haushalt komme, gestatten Sie mir noch einen kleinen Rückblick auf das,

was unser Bürgermeister im Rahmen seiner Rede zur Einbringung des Haushalts in den Fokus stellte:

Der Mann hat eine Vision!

Und nein, ich möchte nun keine Ratschläge erteilen, was man tun sollte, wenn man so etwas hat.

Er hat eine Vision von unserer Heimat Schlüchtern und überschreibt den diesjährigen Etat daher gleichnamig.

Fortan leitet er ein mit den Worten: „Er (- also der Titel) erklärt die einzelnen Aspekte unseres Heimatgefühls, unsere Werte und seine Bedeutung in Schlüchtern und die Vision, wie wir dieses unbeschreibliche Heimatgefühl erhalten möchten.“

Das machte mich spätestens beim Nachlesen dieser Zeilen in Vorbereitung meiner eigenen Rede etwas stutzig:

Wollten wir nicht eine solche Vision – in Form eines Leitbilds – anfangs der ersten Wahlperiode des Bürgermeisters

in Zusammenarbeit der damaligen Stadtentwicklungskommission und der Hochschule Fulda entwickeln?

Sie erinnern: Ein Projekt, das zu keinem arg glücklichen Ergebnis kam – und von dem man danach nie mehr etwas hörte.

Fragen Sie sich an dieser Stelle nun bitte selbst: Sollte es möglicherweise weitere Projekte geben, die im Stillen scheiterten?

Jetzt will ich mich keinen weiteren ketzerischen Fragen oder gar Mutmaßungen hingeben, sondern weiter gehen im Text des Bürgermeisters:

Er empfiehlt, ob der unsicheren Zeiten, doch lieber auf Sicht zu fahren. Doch auch da kann es einem bei der Vielzahl an laufenden und geplanten Projekten etwas mulmig werden,

werden uns die finanziellen Auswirkungen doch über Jahre, gar Jahrzehnte begleiten. Anders ausgedrückt: Auf lange Sicht!

Vielleicht liegt auch genau dort der Hund begraben:

Das zwischen der Vision, die per se bedingt durch die planerische Systematik, sehr langfristig gesehen nur wenig konkrete Ziele und Wünsche beschreiben kann,

und dem „fahren auf Sicht“,

also einer kurzfristig operativen Umsetzung von Projekten und Notwendigkeiten, Strategien fehlen, die eben jener langfristigen Zielerreichung dienen.

Ein Umstand, der nicht neu ist,

sondern den wir bereits anmahnen,

ich erinnere, seit ich politisch tätig wurde – sagen wir Mitte der 2000er Jahre.

Gestiegen ist seitdem allenfalls die Anzahl an Projekten,

die umgesetzt werden, weil gerade die passenden Förderprogramme und -gelder dafür da sind.

Das dies erfahrungsgemäß recht dringlich geschieht, vielleicht alternativlos erscheint oder zumindest so dargestellt wird, ist mittlerweile gelerntes politisches Geschäft.

Ohne noch viel weiter ausholen zu wollen, gebietet es auch hier der liberale und kaufmännische Sachverstand, zu unterscheiden

zwischen „etwas richtig zu machen“

und „das Richtige zu machen“.

Gegebenenfalls wird einen dann so manche bei vollem Bewusstsein getätigte Überlegung dahin führen,

uns als Stadt doch wieder etwas mehr unseren Kernaufgaben zuzuwenden – und „freiwillige“ Leistungen dem „Markt“, ergo entsprechenden Investoren zu überlassen,

wenn wir gleichermaßen dazu natürlich wünschenswerte Rahmenbedingungen festschreiben sollten.

Wie das gelingen kann, zeigte uns beispielhaft der Prozess zum Weiterverkauf des Langer Areals.

Genug der einleitenden Worte, nun konkret zum Haushalt:

Hier will ich nicht der Reihe nach vorgehen, sondern den vorliegenden Etat und dessen Auswirkungen unter vier Aspekten betrachten, unter denen wir Schlüchterner Liberale seit vielen Jahren unsere Politik vor Ort betreiben: Wohnen, Wirtschaft, Soziales und Kultur sowie Haushalt.

Wohnen:

Bereits für den Haushalt des mittlerweile fernen Jahres 2019 wurden auf unseren Antrag hin 10.000 € zur Planung weiterer Baugebiete eingestellt. Bereits damals sahen wir den Brunkenberg in Schlüchtern und den Wallrother Brückengrund, heute Hofrasenring, zügig ausverkauft und weitere Angebote, insbesondere für junge Familien, als notwendig an.

Nun haben wir zwar eine neue Schlüchterner Mitte mit entsprechendem Wohnangebot in Aussicht, neue Baugebiete aber: Fehlanzeige.

Auf unseren Dörfern wurden Leerstände erfasst und solche, die es absehbar werden könnten – wie geht es hier weiter? Wo ist die Strategie, die Leerstände beseitigt, Altbauten modernisiert und so hilft, die Infrastruktur auf den Dörfern aufrecht zu erhalten?

Insbesondere vor dem Hintergrund des fortschreitenden demografischen Wandels wird Schlüchtern auf vermehrten Zuzug angewiesen sein.

Die im vorliegenden Haushalt dokumentierten Zahlen zeigen eine drohende, ja drastische Überalterung ab dem Jahr 2030.

Dem können wir eben nur durch Zuzug junger Menschen entgegenwirken, und dafür benötigen wir entsprechenden Platz. Diesen werden wir nicht nur über „Eigenprojekte“ schaffen können – und sollten das aus eingangs genannten Aspekten auch nicht anstreben.

Wirtschaft:

In meinen einleitenden Worten habe ich es bereits erwähnt: Die Corona Krise haben die meisten heimischen Unternehmen überraschend gut überstanden, beurteilt man dies anhand des Gewerbesteueraufkommens in Summe.

Fatal gestiegene Energiepreise, gestörte Lieferketten und Personal-, insbesondere Fachkräftemangel lassen hier seit letztem Jahr dennoch vermehrt dunkle Wolken aufziehen.

Positiv ist hierbei zu bemerken, dass mehr Menschen nach Schlüchtern zum Arbeiten ein- als auspendeln.

Doch auch hier die Frage: Wo haben wir noch Möglichkeiten, attraktive Flächen für Unternehmen und Gewerbetreibende zu erschließen? Mit der Zuordnung zum „Verdichtungsraum“ an der A66 erwartet das Land Hessen dies ja offensichtlich geradezu von uns.

Soziales und Kultur:

Wo soll man da anfangen, meine Damen und Herren?

Ohne schwarzmalen zu wollen, sehen wir Liberale gerade auch in diesem Bereich einige Sorgenkinder.

Nehmen wir die Kindergärten:

Hier steigen die Kosten seit Jahren unaufhörlich und drohen in Zukunft tatsächlich aus dem Ruder zu laufen.

Bei den Personalkosten im Haushalt bildet unser Betreuungsangebot, das wir im Übrigen in den vergangenen Jahren geradezu vorbildlich ausgebaut haben, den größten Block.

Die im aktuellen Haushalt eingeplante, aber nach unserem Kenntnisstand durch die Stadt noch nicht vollzogene Tariferhöhung, wird aufgrund der schieren Anzahl an „Köpfen“ mit mehreren hunderttausend Euro zu Buche schlagen.

Dabei müssen wir noch beachten, das wir uns gerade auch in diesem Bereich in einer enormen Wettbewerbssituation ums Personal mit anderen Anbietern befinden. Ein Wettbewerb übrigens nicht nur in und um Schlüchtern, sondern bis ins Rhein-Main Gebiet hinaus.

Etwa 7712 Euro beträgt der Zuschuss pro Kindergartenplatz und Jahr derzeit, und jede Erweiterung des Angebots zieht eine Aufstockung des Personals nach sich, beziehungsweise setzt diese voraus.

Die geplante Akademisierung des Kindergartenpersonals wird ihr übriges tun: Kommt alles wie geplant, rechnen Sie in zehn Jahren bitte mit dem Doppelten des eben genannten Zuschusses – pro Platz wohlgemerkt.

Kultur: Insbesondere KUBE.

Sie erinnern, das unsere Fraktion vor Allem der Erlebniswelt skeptisch gegenüberstand,

wenngleich auch in unterschiedlicher Ausprägung dieser Skepsis innerhalb der Personen der Fraktion und der Schärfe der hierzu getätigten Aussagen.

Sie erinnern auch, das wir die in der Planung zugrunde gelegten Annahmen und Zahlen seinerzeit breit im Sozialausschuss diskutierten und immer wieder hinterfragten.

Sodann wurden neue Berechnungen angestrengt und das Projekt schließlich in die Bahn gebracht.

Vor kurzem war den Kinzigtal Nachrichten zu entnehmen, das man – mittlerweile in der Stadtentwicklungsgesellschaft SEG – einmal mehr neu rechnet, vor dem Hintergrund deutlich geänderter Rahmenbedingungen.

Nun, ohne hier allzu ausführlich in die Details gehen zu wollen: Hoffen wir das Beste!

Haushalt:

Die bereits erwähnte Tarifanpassung im Kindergartenbereich schlägt im vorliegenden Haushalt mit mehreren hunderttausend Euro zu Buche.

Die Auswirkungen des heute vorliegenden Ergänzungsantrags zum Freibad Schlüchtern muss ich, so denke ich, nicht nochmal weiter erläutern. Aber dieser zeigt beispielhaft und sehr deutlich, wie aus geplanten Milliönchen dann doch recht schnell auch ausgewachsene, stattliche Millionenbeträge werden können, die aus städtischer Tasche zu zahlen sind, und nicht mehr aus Fördergeldern.

Hier mag man sich nicht ausmalen, sollte ähnliches bei weiteren unserer aktuell rund 30 laufenden Projekte passieren …

Unsere Haltung zum Vogt Areal haben wir in vergangenen Sitzungen bereits deutlich gemacht: Auch wenn sich diese Umsetzung in Tranchen über mehrere Haushaltsjahre verteilt, werden sich am Ende wieder stolze Millionenbeträge aufsummieren, die auch ohne städtische Risiken und Finanzierung privatwirtschaftlich hätten gestemmt werden können.

Wir haben dem dennoch zugestimmt, weil wir eben auch die soziale Komponente dessen sehen – und werden dies auch weiterhin so handhaben.

Aufmerksam machen möchte ich Sie an dieser Stelle auf das Thema Zinsen. Wir haben es seit Jahren prophezeit und nun haben wir es schwarz auf weiß: Hier haben sich verschiedene Haushaltsansätze zwischenzeitlich verdoppelt – oder sogar darüberhinaus.

Bitte haben Sie auch ein Augenmerk auf die Entwicklung der Rechts- und Beratungskosten in den letzten Jahren.

Nicht zuletzt: Planungskosten.

Im Haushalt finden sich dort beispielsweise 50.000 € für das Thema Photovoltaik.

Diese kann man eigentlich, hat man sich etwas näher mit der Thematik befasst, nur als Platzhalter verstehen. Und so manches Projekt ließe sich sicher damit auch umgehend, ohne große Notwendigkeit einer vorherigen Planung, direkt schnell und einfach umsetzen.

Die Stadtentwicklungsgesellschaft wird mit einem Startkapital in Höhe einer Million Euro ausgestattet.

Eine Forderung, die wir nicht nur im Aufsichtsrat seit längerem vertreten: Es nützt nichts, sich auszumalen, was die SEG potentiellerweise alles tun könnte, wir müssen sie dafür auch mit entsprechenden liquiden Mitteln (und schließlich auch Personal) ausstatten.

Im Gegenzug bedeutet dies jedoch keinesfalls, die SEG dann einfach laufen zu lassen: Auch hier müssen wir sehr genau darauf achten, ob sie die richtigen Dinge tut und ob sie die Dinge richtig tut.

Dies sollten wir auch außerhalb des Aufsichtsrats, nämlich hier in diesem Hause, künftig einmal jährlich systematisch analysieren.

Weitere Millioneninvestitionen stehen an: 4 oder mehr Millionen für das Dorfgemeinschaftshaus in Elm,

10 oder mehr Millionen für einen neuen Feuerwehrstützpunkt.

Außerhalb dieses Haushalts zweistellige Millioneninvestionen in die Infrastruktur durch den Eigenbetrieb Stadtwerke.

Dort wurden die Gebühren bereits erhöht,

wielange bleiben Steuern und Abgaben für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt noch konstant?

Wielange bleiben Steuereinnahmen – auch wenn hier konservativ geplant wurde – konstant?

Fragen, die bei allem Wohlwollen aktuell niemand beantworten kann.

Lassen Sie mich abschließen: 42,415 Millionen Euro Gesamtetat mit einem Überschuss von 100.000 €. Das ist in der Planung immerhin zehnmal soviel wie im Vorjahr – und entspricht in der Relation dennoch nur 0,2357%. 0,23%! Vielleicht verdeutlicht dies, wie spitz auf Knopf wir hier nähen.

Und selbst das gelingt nur durch eine Ausnahme, die das Haushaltsrecht derzeit gestattet: Nämlich den Liquiditätspuffer in Höhe von 1,1 Millionen Euro zum Ausgleich des Finanzhaushalts gegenrechnen zu dürfen.

Auch wenn unsere Stadt damit nicht alleine steht: das geht nicht ewig so! Im Gegenteil: Dies war zunächst ausnahmsweise wegen Corona gestattet und ist es nun wegen Krieg und Inflation.

Wir haben es hier mit einer Schwachstelle des Haushalts zu tun, die unter normalen Umständen ein sechsstelliges Minus nach sich ziehen – und die Erstellung eines Haushaltssicherungskonzepts notwendig machen würde.

Ich wiederhole daher: Spitz auf Knopf!

In Summe – und trotz aller vorgetragen Mahnungen, werden wir dem vorliegenden Haushalt zustimmen.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und der Kämmerei für die Erstellung des Haushalts und für die Unterstützung bei der Vorbereitung dieser Rede.

Bleiben Sie gesund!