Haushaltsrede 2016, Dr. Peter Büttner, 21.12.2015
Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren,
der vorliegende Haushalt zeigt einen positiven Trend:
Zum ersten Mal seit vielen Jahren erreichen wir einen ausgeglichenen Haushalt, wenngleich nur ganz knapp. Auch die Netto-Neuverschuldung bleibt gering, sofern man die Sonderausgaben für ALG und den Kreditanteil für das Kip nicht berücksichtigt. Die Steigerungen in den Personal- und Sachkosten sind moderat, und im Bereich der Personalkosten vor allem auf tarifliche Erhöhungen zurück zu führen. In den Gesprächen mit der Verwaltung wurde deutlich, dass das Bewusstsein der Notwendigkeit zum Sparen nach wie vor präsent und in einer stabilen Haltung verankert ist.
Das gute Ergebnis ist allerdings vor allem auf externe Faktoren, die von uns nicht beeinflussbar sind, zurück zu führen:
– erhöhte Zuweisung aus dem kommunalen Finanzausgleich,
– eine prosperierende Wirtschaft, die sich auf die Ertragsfähigkeit der hiesigen Firmen niederschlägt,
– der unverändert niedrige Zinssatz
.
Jedoch: die Nachhaltigkeit dieser Faktoren ist unsicher, niemand kann eine valide Prognose stellen. Insofern ist die positive Entwicklung auch labil, gefährdet und es gibt keinen Anlass, sich entspannt zurück zu lehnen und von einer anhaltenden positiven Trendwende auszugehen. Wir sollten uns auch immer wieder daran erinnern, dass der Schuldenstand der Stadt am Beginn des Jahres bei ca. 18,5 Millionen liegen wird, rechnen wir die Eigenbetriebe mit 16 Millionen hinzu, sind wir bereits bei 34,5 Millionen und gedanklich müssen wir den in Anspruch genommenen Kassenkredit letztendlich in die Schuldensumme mit einrechnen. Der Abbau dieses Schuldenstands, liegt in weiter Ferne und bleibt eine ständige Herausforderung.
Soweit eine erste überblicksartige Einschätzung der Situation.
Ich konzentriere mich nun auf die Faktoren, die wir intern beeinflussen können.
Wir haben eine Reihe ungelöster Strukturprobleme sowie unfertige und nicht vorangetriebene Projekte, die alle jedoch einen Einfluss auf unsere gesamthaushalterische Situation haben. Ich benenne dabei 7 Punkte.
1. Die auf Initiative und Antrag der FDP-Fraktion eingerichtete Kommission zur Haushaltsentwicklung hat seit 2012 eine insgesamt konstruktive Arbeit vorgelegt. Bei der letzten Haushaltsdebatte im Februar 2015 hat die FDP einen einstimmig angenommenen Antrag eingebracht, der das Aufgabenportfolio dieser Kommission spezifiziert und Ablauf und Frequenz der Sitzungen fixierte. Damit sollte ein kontinuierliches Controlling der Umsetzung der Haushaltsbegrenzungen, die in diesem Hause beschlossen wurden, verfolgt und begleitet werden.
Es wurden drei Sitzungen zeitlich festgelegt, in denen auf der Basis eines Reporting durch die Verwaltung der Haushaltsvollzug begleitet werden sollte. Tatsächlich hat es im Jahr 2015 keine einzige Sitzung mit dieser Aufgabenstellung gegeben, am Anfang des Jahres tagte die Kommission 2x, allerdings nur zur Vorlage des Haushalts 2015. Dies spricht natürlich nicht für die Ernsthaftigkeit des Kontrollansatzes. Die Kritik geht vor allem an die Verwaltung, aber auch an dieses Haus, also an uns alle. Die am Anfang des Jahres festgelegten Sitzungen sind von der Verwaltung kommentarlos abgesagt worden, auch hier keine Kritik seitens dieses Hauses an diesem Vorgehen. Daher erinnere ich nochmal hier an diesen Beschluss und fordere sowohl die Verwaltung wie uns selbst auf, unseren selbstauferlegten Kontrollauftrag gerecht zu werden.
2. In der Rede des Bürgermeisters zum Haushalt 2015 im Februar wurde darauf verwiesen, dass im Bauhof in den nächsten anstehenden Jahren ein Generationswechsel anstünde sowie eine Frage der Neuorientierung der Konzeption, der Sachausstattung etc. Angedacht war dabei, im Rahmen dieser Überprüfung eine Effizienz- und Effektivitätssteigerung zu erreichen und damit letztendlich auch Kostenreduktionen zu bewirken. Zu dieser Überprüfung ist es in diesem Haushaltsjahr jedoch nicht gekommen. Dies ist als eine unerledigte Baustelle zu betrachten und auch hier kann ich nur appellieren, diese Aufgabe so schnell wie möglich anzugehen, um auch von hier aus einen entsprechenden Beitrag zur Konsolidierung leisten zu können.
3. In den Vorbemerkungen zum Haushaltsentwurf 2016 wird eine Überprüfung der Prozeduren der Friedhofsfinanzierung, der entsprechenden Satzungen und Abstimmungsprozeduren angesprochen, mit dem erklärten Ziel, über diesen Weg zu klareren Absprachen und Kosteneinsparungen zu gelangen. Immerhin geht es hier um ca. 90.000,- Euro. Aus den Erfahrungen der beiden eben genannten Punkte empfehle ich, dass die Kommission Haushaltskonsolidierung sich diesen Punkt mit auf das Portfolio nimmt, um die Umsetzung dieses Projekts zu begleiten. Im Kern geht es bei diesem Problem, wie übrigens auch im Kindergartenbereich darum, jahrzehntelange Absprachen und Verträge, die aus heutiger Sicht entweder überholt, überarbeitungsbedürftig oder auch völlig unzureichend formuliert waren, zu evaluieren und neu zu vereinbaren.
4. Besonders deutlich wird dieses Verhältnis im Kita-Bereich. Ich habe vor eine Woche im Rahmen meiner Berichtspflicht als Vorsitzender des Sozialausschusses berichtet, dass der Bereich in einem optimalen Zustand dasteht. Gemessen an vielen anderen Kommunen, haben wir eine hochprofessionelle Angebotsstruktur, die sich durch ein hohes Maß an Flexibilität, Familienfreundlichkeit und individueller Orientierung an den Kindern auszeichnet. Neben den engagierten Mitarbeitern in den KiTas, der konstruktiven Haltung der Verwaltung trägt dies auch unsere „liberale Handschrift“. Allerdings haben wir in diesem Zusammenhang zwei Problembereiche:
• Zum einen verkaufen wir dieses Kapital in unzureichender Weise. Wenn man z.B. auf die Website der Stadt Schlüchtern in den Bereich Kindergarten klickt,
Wird man zunächst nur lapidar auf die Existenz von 5 Kindergärten verwiesen. Nur mit einem komplizierten Zugang erfährt man mehr. Unter dem Bereich „Familie“ finden sich überhaupt keine Hinweise, sondern soziologische Theorien darüber, was man heute „Familie“ nennt. Wenn die Angebotsstruktur von Kindergärten auch ein attraktiver Reiz zum Zuzug in diese Stadt sein soll, dann müssen wir auch diese Leistung hervorheben.
• Ein weiteres Problem ist das noch auszubauende Verhältnis zu den freien Trägern, die auch Kindergartenangebote in Schlüchtern machen. Es muss zu einer Gesamtplanung der Angebotspalette kommen, auch zu einem gemeinsamen Marketing. Die Inanspruchnahme der Angebote ist gemeinsames Interesse aller – kommunaler und freier Träger. Die demographische Entwicklung – ohne Zuzüge – gefährdet alle. Wie ich bereits letzte Woche sagte, endet die Unabhängigkeit der freien Träger im Rahmen der Subsidarität an der Planungshoheit der Kommune, die auch die Kindergärten der freien Träger subventioniert.
5. Gleiche Überlegungen gelten für das Heimatmuseum. Ich will jetzt keineswegs die alte Debatte um die Existenz, die Berechtigung und Investitionsnotwendigkeit des Heimatmuseums wieder wachrufen, nichtsdestotrotz existiert ein krasses Missverhältnis zwischen der Nutzung des Heimatmuseums und den Kosten in Höhe von 80.000,- Euro jährlich. Gemessen an den Einnahmen, 3.000,- Euro = 1000 Besucher das ganze Jahr, muss man sich schon ernsthaft Gedanken über die Inanspruchnahme, über die Wertschätzung des Museums in der Stadt und über die Defizite im Marketing machen. Wir müssen auch hier zu einer besseren Auslastung und damit zu einer günstigeren Kosten-Nutzen-Relation gelangen.
6. Sie haben lange gewartet, aber es kommt jetzt doch. Das Freibad Hutten. Es gilt unverändert was wir seit Jahren sagen: eine Kommune unserer Größe und Schuldenstandes kann sich keine 3 Bäder leisten.
Nach unseren jahrelangen Forderungen der ersatzlosen Schließung dieses Bades haben wir vor etwa 5 Jahren einen Kompromissvorschlag vorgelegt, der einen subventionierten und kontrollierten Übergang von öffentlicher Trägerschaft in einen Förderverein beinhaltet. Unser Eindruck ist schon so, dass nicht wenige in diesem Hause eigentlich unsere Überzeugung teilen, aber aus Sorge vor den Wählerstimmen sich nicht entsprechend positionieren. Wir machen jetzt einen erneuten Versuch und gehen einen Schritt in der Kompromissbereitschaft weiter. Wir schlagen vor, im Haushalt der Stadt Schlüchtern an der entsprechenden Stelle einen gedeckelten, aber auch zeitlich unbegrenzten Betrag von 30.000,- Euro pro Jahr zur Refinanzierung der Sach- und Personalkosten einzustellen. Davon unberührt sind die Trägerschaft durch die Stadt, die Übernahme von Investitionen nach genauer Prüfung, auch für die Zukunft, und natürlich die letztendliche Haftung in der Verantwortung durch die Stadt. Eine weitergehende Finanzierung ist ausgeschlossen, in der Situation der Unterfinanzierung muss der Förderverein über Sponsoren, ehrenamtliche Leistungen oder Einsparungen versuchen, den Betrieb aufrecht zu erhalten. Um dies mal an einem Beispiel aus dem Jahr 2015 deutlich zu machen: im Jahr 2015 fielen rund 49.000,- Euro Sach- und Personalkosten an, die Einnahmen betrugen 15.500,- Euro, bleibt also ein Differenzbetrag von 34.500,- Euro, wovon nach diesem Modell 30.000,- gedeckt wären und 4.500,- Euro in einer der o.g. Weise zur Refinanzierung durch den Träger angewiesen wären. Eine durchaus leistbare Aufgabe. Aus unserer Sicht ist dies ein weiterer Kompromiss, der den Erhalt des Bades sichern könnte.
7. Entwicklung von Baugebieten für junge Familien. Hier hatten wir in der letzten Haushaltsdebatte einen Sperrvermerk auch bei den Planungskosten für Baugebiete anbringen lassen, um für diesen Zweck spezielle Mittel zu blocken und die Verwaltung aufgefordert, entsprechend vorzugehen. In der Zwischenzeit, wenngleich mit gehöriger Verzögerung, sind auf unsere Initiative hin erste Gespräche und Verhandlungen mit der Kirche aufgenommen worden, um ein spezielles Baugebiet zeitnah zu sichern, so dass wir in einer überschaubaren Zeitperspektive über weitere attraktive Baugebiete für Familien in Schlüchtern verfügen können. Von daher werden wir beantragen, dass von den eingestellten 60.000,- Euro Planungsmitteln erneut 25.000,- Euro nur für die Planungsspezifika dieses Baugebietes reserviert sein sollen.
Die Lösung dieser angesprochenen 7 Punkte sowie die Fortschreibung der Konsolidierungsbemühungen, und hier insbesondere die Wahrnehmung des Kontrollauftrages durch die Haushaltskommission, können dazu beitragen, dass der begonnene positive Trend nachhaltig wird und – soweit es die von uns beeinflussbaren Faktoren zulassen – die Chance für weitere ausgeglichene Haushalte und eine insgesamte Konsolidierung erhöhen.
Meine Damen und Herren, lassen sie mich abschließend zu einem anderen Punkt kommen. Nicht zuletzt dank der Bemühungen und Kontakte der FDP-Fraktion ist es gelungen, in das Förderprogramm „Aktive Kernbereiche“ den Zugang zu finden. Dies wird zu produktiven Innovationen im Kernbereich der Stadt und zu einem weiteren Zufluss von finanziellen Mitteln führen. Der bisher begonnene Prozess zeigt sich sehr positiv, er wird von einer breiten Bürgerschaft mitgetragen und strahlt auch in ganz andere Bereiche ab. Um diesen Prozess noch weiter zu befördern, erscheint es uns sehr sinnvoll, im Rahmen einer ausgelagerten Gesellschaft alle Aktivitäten der Stadtentwicklung zentral dort zu sammeln und zu koordinieren. Der damit erreichbare formale Abstand von der Politik und den damit verknüpften Sonder- und Partikularinteressen könnte den gesamten Prozess beschleunigen und vor allem sachlicher gestalten. Die Mitwirkungsbereitschaft der Bürger der Stadt wird sich dadurch auch erhöhen. Wir hatten ähnliches schon für den Bereich der Kulturpolitik vorgeschlagen, dieses Projekt ist aus Mangel an Mitteln ja zunächst aufgeschoben worden. Langfristig kann man sich darüber verständigen, ob, sobald sich diese Maßnahme bewährt hat, in das Portfolio dieser ausgelagerten Gesellschaft auch Aufgaben wie Marketing und Kulturpolitik zusätzlich integriert werden können, damit diese Bereiche, wie bereits in meiner Rede mehrfach erwähnt, effizienter und produktiver gestaltet werden können.
Gestatten Sie mir eine letzte Bemerkung:
Die Debatte der letzten Woche hat gezeigt, dass eine der großen Herausforderungen für die nächste Zeit die Versorgung von Flüchtlingen darstellt und unseren Ressourcen entsprechend gestaltet werden muss. Hier sind wir moralisch und ethisch zu menschenwürdigen Formen der Versorgung verpflichtet.
Meine Damen und Herren, Kommunalwahl und Bürgermeisterwahl stehen vor der Tür, es wird zu öffentlichkeitswirksamen Kontroversen und Profilierungen genutzt werden, dies ist ebenso unausweichlich wie legitim.
Ich bitte jedoch dabei zu bedenken: eine Grenze dafür liegt da, wo es um Menschen, in diesem Fall Flüchtlinge, geht und wo die damit verknüpften Sachthemen nicht instrumentalisiert werden sollten.
Wir sollten uns auch hierüber klar sein, dass instrumentalisierte, personalisierte und polemische Auseinandersetzungen in diesem Hause nur jenen Auftrieb geben, die vorgeben, es gebe einfache „wahre“ Lösungen für komplexe Probleme und die mit Halbwahrheiten und billigsten Populismus Menschen zu sich ziehen, die uns – als sogenannte etablierte Parteien – nicht mehr folgen wollen. Lassen Sie uns die mühsam errungene, weitgehend sachliche, politische (Streit-) Kultur auch im Wahlkampf nicht aufgeben.
Die FDP wird diesem Haushalt zustimmen, da er seriös aufgestellt ist, dem Sparwillen entspricht. Die von uns bemängelten Aspekte berühren diese Entscheidung nicht.
Bei Frau Kohlepp und ihrem Team bedanke ich mich für die große Mühe und die große Kooperationsbereitschaft im Vorfeld dieser Haushaltsdebatte, vielen Dank.