Haushaltsrede 2015
Frau Vorsitzende,
Meine Damen und Herren,
der vorliegende Haushaltsentwurf vermittelt zum einen positive Botschaften und den Hinweis auf eine anhaltende Trendwende, zum anderen verweist er jedoch nachdrücklich auf unveränderte Strukturdefizite und Gefährdungen der finanziellen Situation dieser Stadt.
Bereits mit dem Haushalt für 2014 haben wir eine Netto-Neuverschuldung vermeiden können und sogar 10.000,- Euro Schuldenabbau erreicht. Für das Jahr 2015 wird erneut eine Netto-Neuverschuldung vermieden und ein Schuldenabbau von 170.000,- Euro ist vorgesehen. Gemessen daran, dass unser kumulierter Finanzmittelfehlbetrag Ende 2015 ca. bei 17,7 Millionen Euro liegen wird (der langfristige Schuldenstand und die Verbindlichkeiten bei den Stadtwerken nicht eingerechnet), mag dies wie ein Tröpfchen auf den heißen Stein wirken, nichtsdestotrotz ist dies erneut ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Soweit das Positive.
Betrachtet man die Bedingungen und Prozesse genauer, die zu diesem vorsichtigen Trend geführt haben, wird jedoch die anhaltende Gefährdung und Vorläufigkeit dieser Entwicklung schnell klar.
Da sind zum einen günstige externe politische und ökonomische Faktoren, die diesen Prozess erheblich begünstigt haben. Dies sind Faktoren die wir nicht wirklich beeinflussen können. Dazu gehört der niedrige Zinssatz. Zudem die kontinuierlich gute Konjunktur, die zur Prosperität auch der hier ansässigen Firmen und damit des Steueraufkommens führt. Hinzu kommen die ersten Auswirkungen aus den Veränderungen des kommunalen Finanzausgleichs nach dem Alsfelder Urteil, was bei uns zu höheren Zuweisungen von fast einer Million zu Buche schlägt. Diese im Augenblick positiv wirkenden Faktoren können sich verändern, verschlechtern oder – wie der kommunale Finanzausgleich –versanden.
Natürlich haben wir lokal auch eigene Beiträge zu dem vorsichtigen positiven Trend beigetragen.
Die auf Initiative und Antrag der FDP-Fraktion eingerichtete Kommission zur Haushaltsentwicklung hat in den letzten 3 Jahren in einer, wie ich finde, zunehmend konstruktiven und sachlichen Weise über Einsparpotentiale diskutiert und gemeinsam mit der Verwaltung Möglichkeiten zu Einsparungen identifiziert und entsprechende Beschlüsse vorbereitet, die dann in der Stadtverordnetenversammlung auch mehrheitlich umgesetzt wurden.
Auch dies wirkt auf den ersten Blick positiv und ich will dies auch gar nicht kleinreden. Aber: machen wir uns nichts vor; die Strukturen der Einsparungen folgten bisher der Rasenmähermethode, d.h., die Politik hat der Verwaltung vorgegeben, 10 bei den Sachkosten und 3 bei den Personalkosten pauschal einzusparen. Dies war der kleinste gemeinsame Nenner. Angesichts der damaligen tiefen Gräben in der kommunalpolitischen Landschaft dieser Stadt war allein dieses Ergebnis ein deutlicher Fortschritt und kann nur begrüßt werden. Nun war und ist allen Beteiligten auch klar, dass dieser Ansatz seine natürlichen Grenzen hat und nicht beliebig fortgeführt werden kann. Es gibt objektive Grenzen pauschaler Deckelungen. Diese Grenzen sind nach meinem Eindruck überwiegend erreicht.
Meine Damen und Herren, der gesamte Ansatz muss jetzt in eine strategische Phase überführt werden. Ausgehend von den Grundüberlegungen, dass ohne große Einschnitte und strukturelle Veränderungen eine nachhaltige Sanierung der kommunalen Finanzen nicht erreichbar sein wird, müssen wir in einem transparenten, geregelten und verbindlichen Prozess aller Akteure versuchen, zu diesen strategischen Entscheidungen zu gelangen. Auf dem Weg dorthin gilt es eine Reihe von Gräben zu überwinden und Missverständnisse zu beseitigen. So ist es eine Illusion zu glauben, es bringe uns weiter, wenn die Politik der Verwaltung Vorgaben gibt in dem Sinne „macht ihr doch einmal Vorschläge wo man sparen kann, ihr kennt doch den Haushalt viel besser, ihr kennt die Lücken etc.“. Die Antwort der Verwaltung, und zwar berechtigter Weise, lautet dann stets „ja die Politik muss aber eine Leitplanke vorgeben“. Natürlich kann man davon ausgehen, dass auch die Verwaltung ihrerseits Ideen aus dem täglichen Verwaltungsgeschäft generieren kann, in welche Richtung, in welchen Produktbereichen ggf. Einschnitte und Einsparungen erreichbar sein könnten. Das ändert aber nichts an der Grundverantwortung und der Rolle der Politik in diesem Zusammenhang. Es wird nur in einem geregelten Kommunikations- und Entscheidungsprozess erreichbar sein, in dem alle Partner an einem Tisch sitzen. Dies verweist auf einen anderen Bereich von Verwerfungen: Entscheidungen die politisch in diesem Kontext getroffen werden müssen, sind in der Regel keine Entscheidungen, die in der Öffentlichkeit großen Beifall oder Begeisterungsstürme auslösen. Von daher gibt es selbstverständlich ein natürliches Rollenverhalten von Politikern, die Verantwortung für solche Entscheidungen nach Möglichkeit irgendwo anders hinzuschieben, um die eigene Wählerbasis nicht zu verprellen. Angesichts des in Wirklichkeit ja extrem geringen Spielraums, in Zusammenhang mit unserer prekären Lage, sollten diese vermeintlichen Rollenzwänge jedoch hintan gestellt werden. Einmal eignet sich die Kommunalpolitik sowieso nur in sehr begrenzten Ausmaße, spezifische parteipolitische Profile umzusetzen. Zudem glaube ich, dass die Übereinstimmungen zwischen den Fraktionen in diesem Hause größer sind als die unterschiedlichen parteipolitischen Akzente. So gesehen müssten Kompromisse und Lösungen erreichbar sein.
Es gibt einen weiteren Sachzwang zu dieser Verfahrensweise: In den letzten Monaten entwickelten sich im außerparlamentarischen Rahmen der Schlüchterner Stadtpolitik im wachsenden Ausmaße Bewegungen und Initiativen, die mit dem billigsten Populismus und unter völliger Missachtung der komplexen Sachzusammenhänge zu den hier im Raum stehenden Themen sich äußern. Dabei sind auch Personen, die einst in diesem Hause Mandat und Verantwortung hatten und sich eigentlich der Komplexität der gesetzlichen Grundlagen, der engen Spielräume usw. durchaus Bewusst sein müssten. Unter Ausnutzung der allgemeinen Politikverdrossenheit und der Neigung zur Politikschelte und dem Hinweis auf vermeintliche schnelle und einfache Lösungen, versuchen diese Gruppierungen politischen Einfluss zu gewinnen und unter Umständen gelingt es ihnen, Mandate in diesem Hause zu erringen, was sicherlich dann dazu führen wird, dass der mühsam erarbeitete Beginn einer sachlichen Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen gefährdet wird und wir in die alten Grabenkämpfe und Polemiken zurückfallen. Dies verweist auf den weiteren Punkt, dass bei diesem Prozess der Entscheidungsfindung selbstverständlich auch darüber nachgedacht werden muss, mit welchen Verfahren und auf welchen Ebenen die Bürgerschaft dieser Stadt durch regelmäßige Informationen und Offenlegung aller Argumentationslinien eingebunden werden kann.
Meine Damen und Herren, zu diesem Weg gibt es aus meiner Sicht keine Alternative. Wir haben aber eine Plattform die man dazu nutzen kann, um diesen Prozess zu bewegen, es ist die Kommission für Haushaltsentwicklung. In der letzten Sitzung dieser Kommission hatte ich vorgeschlagen, und es gab auch darüber einen Konsens, dass wir für die kommende Zeit zu verbindlichen und festgelegten Sitzungsterminen, etwa 3 im Jahr, kommen müssen. In dieser Diskussion wurden der Kommission 2 Hauptaufgabenbereiche zugeordnet: zum Ersten, die bereits beschlossenen pauschalen Deckelungen müssen in ihrer Umsetzung durch die Verwaltung der Kommission reportiert werden, damit die Politik zeitnah an den Umsetzungsprozessen partizipiert und unter Umständen auch nachsteuernd einwirken kann. Dies bezieht sich bspw. auch auf die Begleitung von größeren Bauprojekten, auch um zu vermeiden, dass solche Situationen eintreten, die wir jetzt wieder mit dem Hallenbad erleben (aber es gibt unzählige Vorläufer solcher Situationen), nämlich, dass Kostensteigerungen erst Monate oder Jahre später bei der Politik anlanden und zu heftigen Irritationen und zu Kritik an der Qualität der Prozesskontrolle seitens der entsprechenden Ämter führen. Eine zeitnahe Information und ein transparentes Umgehen kann diese Irritationen mindestens verringern und vielleicht auch zu einer gemeinsamen Fehleranalyse und zu Änderungsprozessen beitragen.
Der andere Auftrag der Kommission muss aber darin bestehen, Schwerpunkte einer Entwicklungsstrategie für die Stadt zu identifizieren, und dies in doppelter Hinsicht. Einmal Dinge von denen wir uns verabschieden müssen, die nicht mehr finanzierbar und leistbar sind, andererseits die Konzentration auf überschaubare Entwicklungsrichtlinien in die die wenigen verfügbaren investiven Mittel gelenkt werden können. Dieser Auftrag sollte mindestens einmal im Jahr in dieser Kommission in einer strukturierten Sitzung umgesetzt werden und zwar im Herbst eines jeden Jahres, um für die kommende Haushaltsberatung ggf. der Verwaltung bzw. dem Magistrat Vorschläge machen zu können. Diese Idee zum Selbstverständnis der Kommission für Haushaltsentwicklung fand eine Mehrheit. Wir schlagen vor, heute bei der Bestätigung des Haushaltssicherungskonzeptes eine entsprechende Erklärung zu verabschieden.
Meine Damen und Herren, soweit unsere allgemeinen Überlegungen zur Haushaltspolitik und Haushaltsentwicklung. Lassen Sie mich noch abschließend auf einige ganz konkrete Punkte, die diesen Haushaltsentwurf betreffen, kommen, wobei ich darauf hinweisen möchte, dass diese Schwerpunkte gleichzeitig die Punkte sind, die aus unserer Sicht auch zentrale Themen in der entsprechenden Kommissionstätigkeit sein sollten.
1. Bäder: Meine Damen und Herren, unsere Haltung in diesem Zusammenhang ist ja wohlbekannt. Ich erinnere Sie noch einmal daran, wir haben in das Hallenbad mit einem Volumen von knapp 5 Millionen Euro eine große Investition getätigt und auch in das Freibad der Stadt investieren wir erhebliche investive Mittel. Gleichzeitig leisten wir uns ein zweites Freibad in Hutten. Unseren ursprünglichen Schließungsantrag, den wir über viele Jahre hier formuliert haben, haben wir in den letzten Jahren ja bereits modifiziert, indem wir darauf hingewiesen haben, dass der bereits existierende Förderverein die Trägerschaft des Bades übernehmen und die Stadt für einen Übergangszeitraum das ehrenamtliche Engagement zum Erhalt des Bades subventionieren sollte. Der Förderverein leistet ja bereits heute Herausragendes und trägt erheblich zum Erhalt des Bades bei. Dies gilt es an dieser Stelle auch herauszustellen. Wir werden diesen Antrag erneut stellen. Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass wir überzeugt sind, dass die Uhr für diese Lösung tickt. Da ein zweites Freibad in einer Kleinstadt sicher eine freiwillige Leistung darstellt, wird in einem sehr überschaubaren Zeitraum eine städtische Co-Finanzierung nicht mehr möglich sein. Die kommunale Finanzaufsicht kann und wird unserer Erfahrung nach eine Haushaltsgenehmigung von der Schließung eines Freibades abhängig machen. Ein finanzieller Spielraum für den „sanften Ausstieg“ der Stadt mit einer Subvention des Trägervereins dürfte dann ausgeschlossen sein. Bereits im letzten und im vorletzten Jahr gewann ich den Eindruck eines zunehmenden Verständnisses dieser Situation, und ich appelliere nochmals an alle Beteiligten, diese letzte Chance der Erhaltung des Freibades, indem noch über einen Übergangszeitraum subventioniert werden kann, zu nutzen.
2. Dorfgemeinschaftshäuser: Wir hatten, wie Sie wissen, dem ständigen Aus-, Umbau und Ergänzungsbau im Kontext der Dorfgemeinschaftshäuser immer energischen Widerstand entgegengesetzt. Bezogen auf die demographische Entwicklung in den einzelnen Ortsteilen standen aus unserer Sicht diese Investitionssummen in keinem Verhältnis zur Nutzung. Nun sind ein Großteil dieser Investitionen getätigt und die Projekte umgesetzt. Die FDP stellt sich die Frage der Nachhaltigkeit bei der zukünftigen Zweckverwendung. Hier vertreten wir eine klare, wenn auch nicht ganz populäre Meinung: mittelfristig kann die Bewirtschaftung und Aufrechterhaltung nicht mehr Aufgabe der Kommunen sein. Die neuen Dorfgemeinschaftshäuser, die sich in einem tadellosen Zustand befinden, müssen in Trägervereine oder ähnliche Strukturen übergeleitet werden. Wenn die Dorfgemeinschaftshäuser tatsächlich eine soziale Funktion in den Ortsteilen ausüben, dann wird dies auch zu solidarischen und gemeinschaftlichen Aktionen und dem Entdecken zusätzlicher Refinanzierungsquellen führen. In diesem Zusammenhang sollten die Fraktionen sich darum bemühen, unpopuläre Entscheidungen, die angesichts der Finanzlage der Stadt notwendig sind, gemeinsam zu treffen und zu vertreten und diese nicht wegen dem vermeintlichen Verlust von Wählerstimmen aufzuschieben.
3. Interkommunale Zusammenarbeit: Auch dies ein Thema, dass immer wieder in diesem Hause diskutiert worden ist, ohne dass es zu konkreten Konsequenzen kam. Der Bürgermeister hat bspw. in seiner Rede zum Haushalt auf die zu erwartenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Bauhof, und zwar sowohl im Hinblick auf die Personalsituation als auch auf die zum Teil marode maschinelle Ausstattung hingewiesen. Gerade in diesem Zusammenhang wäre eine interkommunale Zusammenarbeit ein Aspekt, den es zu prüfen lohnt. Die gemeinsame Nutzung von schwerem Gerät könnte zu erheblichen Einsparpotentialen aller beteiligten Kommunen führen. Natürlich ist dies eine Verabschiedung von alten Gewohnheiten, und setzt einen höheren Abstimmungsprozess voraus. Wir sind jedoch überzeugt, dass es in diesem Sektor ein erhebliches Einsparpotential gibt und wir sollten dies zu einem zentralen Thema in der Kommission machen.
4. Kultur- und Vereinsförderung: Vor zwei Jahren bereits haben wir eine Überprüfung der Möglichkeit beantragt, die Kulturförderung in eine ausgelagerte GmbH oder ähnliche Struktur zu überführen. Damit sollte dieser ganze Sektor aus der Politik herausgelöst und die Verteilung der begrenzten Mittel an eher objektiven und sachorientierten Kriterien festgemacht werden. Der bisherige Stand der Überprüfung, der im Übrigen äußerst schleppend vorangegangen ist, hat uns zunächst einmal gezeigt, dass die zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen, um eine ausgelagerte Gesellschaft angemessen finanziell auszustatten. Dies ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu ändern und wir bedauern dies außerordentlich. Trotzdem bedarf es eines neuen Konzepts, das in einer Satzung mündet und klarstellt, welche Schwerpunkte und Kriterien die politischen Verantwortlichen im Hinblick auf die Mittelvergabe setzen bzw. heranziehen.
5. Baugebiete in der Innenstadt: Ein Weg zur Veränderung des Steueraufkommens ist, neben der Gewerbeansiedlung, die Ansiedlung neuer Familien und Menschen in unserem kommunalen Bereich und damit ein erhöhtes Steuer- und Wirtschaftsaufkommen. Dabei gilt es, den Flächennutzungsplan auf Entwicklungsmöglichkeiten der Wohnbauflächen und zwar unabhängig von der Eigentümersituation zu prüfen. Dieser Prozess, zum Beispiel unter Mitwirkung externer Beratung und unter Nutzung von modernen Marketingmöglichkeiten, birgt aus unserer Sicht durchaus Chancen zur Gewinnung weiterer Menschen, die hier zuziehen wollen. Das Programm der aktiven Kernbereiche, das – wenn es denn gelingt – zu einer weiteren Attraktivitätssteigerung unserer Stadt führen könnte, könnte diesen gesamten Prozess zudem beschleunigen und begünstigen. Wir hatten bei der letzten Haushaltsdebatte einen entsprechenden Prüfantrag hierzu gestellt, der bis heute nicht bearbeitet wurde. Aus diesem Grunde werden wir diesmal einen spezifischeren Antrag in diesem Zusammenhang stellen, dass konkrete Haushaltsmittel nur zur Planung dieses Prozesses verwendet werden sollen. Wenn es nach uns geht, dann sollte der städtische Planungsprozess zur Verbesserung der Ansiedlungsmöglichkeiten junger Familien in den kommenden Monaten zügig umgesetzt werden.
Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion wird dem Haushalt zustimmen. Um den begonnenen positiven Trend nachhaltig zu stabilisieren, bedarf es jedoch grundlegender strategischer Entscheidungen, die nicht einfach zu treffen und noch schwieriger unter dem öffentlichen Druck zu vertreten sein werden und die aus den genannten Gründen nach Möglichkeit in einer sehr sachorientierten Arbeitsplattform und nach Möglichkeit in einem größtmöglichen Konsens entschieden werden müssen. Ich hoffe und wünsche mir im Interesse der Zukunftsfähigkeit unserer Stadt, dass dieser Prozess umzusetzen ist.
Frau Kohlepp und ihrem Team danken wir für die Vorlage des Haushaltsentwurfs.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.