14.12.2015: Rede von Dr. Peter Büttner zum Thema “Werckmeisterhaus”

Stadtverordnetenversammlung vom 14.12.2015

Frau Vorsitzende,

meine Damen und Herren,

die FDP-Fraktion wird der Vorlage zustimmen.
Lassen Sie mich dies anhand von fünf Punkten erläutern und begründen.

1. Bei der Unterbringung von Flüchtlingen handelt es sich um eine Verpflichtung unserer Stadt. Die Unterbringungen sind weder aufschiebbar noch ablehnbar. Es muss in diesem Zusammenhang im Interesse der Kommune sein, eine Steuerungskompetenz zu erhalten, um nicht improvisieren zu müssen und aus der Not heraus zu Unterbringungssituationen greifen zu müssen, die weder für die Betroffenen noch für das soziale Umfeld auf die Dauer tragfähig sind.

2. Unter moralischen und ethischen Gesichtspunkten ist es geboten, die Unterbringung möglichst menschenwürdig und unseren grundsätzlichen Ressourcen entsprechend zu gestalten. In diesem Zusammenhang sind Unterbringungen in Turnhallen, aufgegebenen Lagerhallen oder Supermärkten nur dann zu vertreten, wenn es überhaupt keine anderen Möglichkeiten gibt. Und: es gibt sicherlich einen Zusammenhang zwischen dem Grad der menschenwürdigen Unterbringung einerseits und dem zu erwartenden Konflikten innerhalb der Flüchtlinge in Massenquartieren anderswo. Da Phänomene dieser Art – neben den fatalen Folgen für die Betroffenen selbst – insbesondere auch zu Prozessen einer Abgrenzung durch die Bevölkerung, Entwicklung von Vorurteilen und insgesamt einem wachsenden Potential von Ablehnung bewirken, kann es – neben den moralischen und ethischen Aspekten – nicht im Interesse einer Kommune sein, Massenunterbringungen im oben beschriebenen Sinne durchzuführen. Es bleibt eine Notlösung.

3. Von der CDU und den Grünen wird die dezentrale Unterbringungsvariante bevorzugt. Also die Unterbringung von Flüchtlingen in privat zur Verfügung gestellten und vermieteten Wohnungen, im Stadtgebiet und in den angrenzenden Ortsteilen verteilt. Argumentiert wird mit der Vermeidung von Ballung von Flüchtlingen und damit der Reduktion eines vermuteten Konfliktpotentials.
Dazu ist aus unserer Sicht Folgendes zu sagen:
– Bei den erwarteten Zahlen (ca. 120 – 130, bis Frühjahr 2016) ist es offensichtlich, dass wir nicht genügend Wohnraum zur Verfügung gestellt bekommen können, um diesen Bedarf alleine dezentral zu decken. Ich darf zudem darauf hinweisen, dass der refinanzierte Mietspreis unter dem normalen Mietspiegel liegt. Dies wird die Motivation zur Verfügungstellung von freien Wohnraum nicht befördern.
Auch das Werkmeisterhaus wird diesen Bedarf nicht decken können, wird jedoch einen großen Teil des Bedarfs absorbieren. D.h., wir brauchen im Prinzip beide Unterbringungsmöglichkeiten, nicht zuletzt auch, um die oben beschriebene Steuerungsfähigkeit der Kommune zu erhalten.
– Gegen eine alleinige dezentrale Variante spricht im Übrigen auch der erhöhte logistische Aufwand bei der Betreuung von Flüchtlingen.

4. Die Schaffung einer zentralen Variante in Form des Werkmeisterhauses – im Übrigen neben der zentralen Variante des Hof Reith´s – schafft in Verbindung mit zusätzlichen privaten Mietwohnungen die kommunalpolitisch wichtige Steuerungsfähigkeit bei der Verteilung von Flüchtlingen.
Sie erleichtert zudem logistisch insbesondere in der Anfangszeit die zumeist auch ehrenamtliche Betreuung von Flüchtlingen, sie erleichtert den Flüchtlingen den Zugang zu Behörden und sonstigen Supports. Der angesprochenen Sorge um soziale Konflikte innerhalb der Unterbringung sowie mit der Nachbarschaft sind zwei Argumente gegenüberzustellen: Hof Reith hat sich trotz einer hohen Ballung von Flüchtlingen nicht zum sozialen Brennpunkt Schlüchterns entwickelt und im Werkmeisterhaus ist ein entscheidender Faktor der Konfliktentschärfung dadurch gegeben, indem jede Flüchtlingsfamilie im Rahmen einer eigenen Wohnung einen sozusagen privaten Rückzugsrahmen hat und damit konfliktentschärfend wirkt. Konflikte entstehen vor allem in Massenunterbringungen mit Gemeinschaftsküchen und eingeschränkten sanitären Möglichkeiten und den damit verknüpften aus dem Alltag entstandenen Konflikten.

5. Von unserem politischen Grundverständnis her, vertreten wir ja nicht die Position, dass eine Kommune auch als Vermieter und Immobilienbesitzer auftreten sollte. Ganz im Gegenteil. Wir vertreten auch nicht die Position, dass wir mal locker 2 Millionen investieren können. Jedoch gibt es hier in diesem Zusammenhang völlig andere Ausgangsvoraussetzungen. Es handelt sich um eine außergewöhnliche, hoffentlich auch zeitlich überschaubare, befristete, politische und gesellschaftspolitische Herausforderung, der man sich nicht entziehen kann, deren Regulierung jedoch nur durch den Staat gewährleistet werden kann. Um dies zu bewerkstelligen, muss der Staat auch Dinge tun, also etwa Investitionen tätigen, denen wir sonst unter anderen Umständen skeptisch gegenüber stehen würden. Die Bedingungen der Finanzierung dieser Investition sind bekannt, sie sind unschlagbar günstig. Zudem belastet die Investition unseren Haushalt nicht, da auf der Grundlage eines Erlasses des Landes dieser Betrag nicht der Verschuldung hinzu gerechnet wird, da es sich um eine außergewöhnliche Situation handelt. Dies zeigt im Übrigen, dass auch auf Landes- und Bundesebene ein entsprechender politischer Kurs, wie wir ihn heute hier vorschlagen, eindeutig unterstützt wird. Die Wiederverwertbarkeit dieser Liegenschaft, sei es zur Vermietung an sozial schwache Familien in späterer Zukunft, der Zurverfügungstellung menschenwürdiger Unterbringungen für durchreisende Obdachlose oder andere Bedürftige eröffnet auch langfristig Möglichkeiten der Verwertbarkeit der Liegenschaft und last bot not least ist sie auch jederzeit verkaufbar.

Unter Abwägung all dieser Gesichtspunkte erscheint der FDP-Fraktion die Vorlage alternativlos und darum werden wir ihr zustimmen.