Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren,
gestatten sie mir zunächst einige allgemeine Bemerkungen zur politischen Situation in der Stadt.
Danach beziehe ich diese Bemerkungen auf den konkreten vorliegenden Haushaltsentwurf.
Gegenstand meiner Betrachtungen ist die Präsentation des Bürgermeisters zur Einbringung dieses Haushaltes, die ja zwischenbilanzierende, programmatische und perspektivische Aspekte beinhaltet.
Dabei stehen beide Betrachtungsweisen auch unter Rollenzwängen: Der Bürgermeister als Exekutive muss das Verwaltungshandeln der letzten Jahre begründen, die Planungen für die nächste Zeit entwerfen und dafür geradestehen. Er trägt die politische Verantwortung. Zudem ist der Bürgermeister derzeit in der spezifischen Situation, dass seine Amtszeit endet und er wiedergewählt werden will, was zweifellos und legitimer Weise auf die Darstellung und die Bewertung von Ereignissen Einfluss nimmt. Eine Auseinandersetzung aus den Reihen des Parlaments hat zwangsläufig andere Betrachtungsebenen und Schwerpunkte zur Folge. Das Parlament beschließt die Strategien der Exekutive und muss dann vor allem seinem Kontroll- und Begleitauftrag gerecht werden. Es ist per se viel stärker aufgestellt auf der Suche nach Schwachstellen und nicht benannten Risiken als es die Exekutive zu tun bereit ist.
Der Bürgermeister beginnt seine Darstellung damit, dass er darauf verweist, dass die bisher erreichten Fortschritte in der Entwicklung der Stadt ein gemeinsames Werk von Verwaltung und Bürgermeister ist. Und in der Tat haben wir ja alle mitbekommen, dass die beeindruckende Veränderung der Bandgeschwindigkeit und der Dynamik in dieser Stadt die Verwaltung in einem erheblichen Maße beansprucht und fordert. Und selbstverständlich muss man davon ausgehen, dass im Inneren einer so geforderten Organisation Konflikte entstehen, Überforderungsanzeigen gestellt werden und auch Fehler passieren. Warnungen vor Überforderungen sind in der Öffentlichkeit häufig gestellt worden. Ich stelle mit Respekt fest, dass die Verwaltung letztendlich den Kurs des Bürgermeisters und der beschlossenen Projekte loyal und konstruktiv mitgetragen hat und so zu dem bisherigen – ja durchaus positiven – Ergebnis beigetragen hat. Auch der Prozess des Mitnehmens der Ebenen der Politik sowie der Gewerbetreibenden und anderen öffentlichen Bereiche ist gelungen, denn: schließlich wurden nahezu alle wichtigen strategischen Entscheidungen über den Kurs der letzten fünf Jahre entweder einvernehmlich oder zumindest doch mit überwältigender Mehrheit getroffen. Insofern ist der erste Abschnitt der Rede des Bürgermeisters positiv zu bewerten.
Im nächsten Abschnitt verweist der Bürgermeister darauf, dass trotz der großen Dynamik der Entwicklung und der vielen Investitionen zum einen keine Notwendigkeit besteht, Steuern und Gebühren zu erhöhen, es vielmehr sogar gelungen sei, trotzdem die finanzielle Situation der Stadt weiter zu stabilisieren. Er stellt fest, dass wir trotz aller großer Investitionen und einer beträchtlichen Neuverschuldung „ruhig schlafen können“. Er geht sogar davon aus, dass wir trotz der neuen Projekte die Rücklagen auch in Zukunft weiter verstärken können. Er glaubt, dass diese Verlässlichkeit den Zuzug weiterer Unternehmen begünstigt und befördert. Diese Logik ist durchaus nachvollziehbar. Zumindest auf den ersten Blick. Auf dieser Basis wendet er sich dann der Kostenseite zu. Er schildert, dass wir eine neue Nettoverschuldung in Höhe von 10 Millionen, saldiert um die Förderbeträge, beruhigt verkraften können und verweist nicht zu Unrecht mit einem gewissen Stolz darauf, dass in seiner bisherigen Amtszeit 18 Millionen an Förderungen akquiriert wurden. In einem Rückblick wie in einem Ausblick benennt er dann 20 Projekte in städtischer Hoheit und noch einmal fünf Projekte, die von externen Investoren getragen werden, jedoch in enger Kooperation mit der Stadt, die dafür auch die Voraussetzung geschaffen hat. Dies alles wissen wir, ist nicht zu bezweifeln und es ist ja auch eine eindrucksvolle Bilanz.
Zunächst einmal ein paar nüchterne Fakten dazu: Mit der neuen Nettoverschuldung von knapp 10 Millionen erreichen wir einen insgesamten Schuldenstand, mit den Stadtwerken, von 32 Millionen als Langzeitschulden. Zweitens: Der Anstieg des Eigenkapitals in den letzten Jahren ist von den Zahlen her gesehen beeindruckend – nahezu bei etwas über 30 % -. Aber: ich weise ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei dem Eigenkapital und den Rücklagen nicht um Cash handelt, sondern es sind letztendlich bilanzielle Komponenten, die uns natürlich dabei helfen, den Haushalt eine gewisse Zeit ausgeglichen darzustellen. Sollten wir aber für den Fall des Scheiterns einzelner Projekte (etwa am Ausmaß nachhaltiger Kosten) in eine finanzielle Schieflage kommen oder sollte die SEG sich mittelfristig nicht selbst tragen, sondern ständig durch den Gesellschafter, also uns, finanzielle Unterstützung benötigen, dann spüren wir das sehr schnell in der Liquidität und das vergleichsweise schnell aufgebaute Eigenkapital schmilzt ebenso schnell wieder dahin.
Ich habe schon mehrmals an dieser Stelle darauf hingewiesen: Was ich nicht erkennen kann, ist, dass neue Projekte anhand von Krisenszenarios systematisch analysiert und eingeschätzt werden. Im Sinne von best- und worst case sowie break even points müssen alle belastbaren Faktoren auf den Tisch, um Erfolg und Misserfolgswahrscheinlichkeit zu benennen und im Ansatz beziffern zu können. Dieser Prozess muss für alle Entscheidungsträger auf den unterschiedlichsten Ebenen transparent und nachvollziehbar sein.
Ich darf das an einem Beispiel kurz erläutern: Im Sozialausschuss ist der Businessplan inklusive der Prozessabläufe des Kultur- und Begegnungszentrums in einer mehrstündigen Sitzung analysiert worden. Der Prozess der Errechnung des damaligen erwarteten Ertragswertes von jährlich 30.000 Euro Überschuss wurde an vielen Stellen kritisch hinterfragt und relativiert. Die damals genannten Voraussetzungen für das Gelingen waren ausnahmslos best case Variablen. Es wurden Aufforderungen zur Erweiterung auf worst case Szenarios und break even points ausgesprochen. Bis zum heutigen Tage ist mir nicht bekannt, ob dies tatsächlich geschehen ist und was das Ergebnis ist. Und so ist es auch mit vielen anderen Projekten und dies ist unabhängig von unseren Zustimmungen und unabhängig von all unserer positiven Bewertungen des Gesamtprozesses und des Bürgermeisters, eine zutiefst ernst gemeinte kritische Bemerkung. Sie berührt nämlich unsere unmittelbare Verantwortung, da wir hier nicht vom Risiko des Kapitals einer Firma sprechen, sondern vom Risiko von Steuermitteln und damit letztlich vom Risiko jedes einzelnen Bürgers.
Meine Damen und Herren, der Haushalt ist ausgeglichen, es können neue Rücklagen gebildet werden, aber dies alles ist überschaubar, ein rechnerisches Ergebnis von 10.000 Euro bei 40 Millionen Haushaltsvolumen verweist sofort auf die eben angesprochene Frage: Welche Szenarios sind vorausgesetzt?
In Bezug auf die internen und regional wirksamen Faktoren wird offensichtlich vorausgesetzt, dass die Verwaltung auch weiterhin in der Lage ist, diese 20 Projekte auch nachhaltig in der weiteren Bewirtschaftung und Organisation ohne Aufstockung des Personalportfolios zu stemmen.
Ist das so?
Die Bewertung der ungünstigen demographischen Entwicklungen der Stadt bleibt unerwähnt. Dort liegt z.B. die Gefahr eines Absinkens der Kaufkraft.
Auf die Notwendigkeit der Ausweisung weiterer Baugebiete weise ich ausdrücklich hin, wir brauchen Zuzüge.
Extern werden die niedrigen Zinssätze weiterhin unterstellt, eine inflationäre Entwicklung nicht erwartet und die politischen Rahmenbedingungen und ihre Rückwirkungen auf ökonomische Stabilität als konstant vorausgesetzt.
Die Ereignisse der letzten Tage haben allerdings die Bewertungen dieser Faktoren erheblich ins Schwanken gebracht.
Schon die Pandemie war ein unvorhergesehenes Ereignis, das wir zwar gut gestemmt haben, aber dennoch mit hohen Belastungen verknüpft war.
Die Instabilität der externen politischen Lage hat gerade erst angefangen und ist nach allgemeiner politischer Einschätzung erst der Anfang eines uns über Jahre bevorstehenden erheblichen Wandels der politischen Rahmenbedingungen im Sinne einer Labilisierung und heftiger Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung. Die für den Augenblick in den Hintergrund getretenen Folgen des Klimawandels und die damit verknüpften Herausforderungen und ökonomischen Implikationen ergänzt dieses durchaus beängstigende Szenario um einen weiteren gravierenden Faktor. All diese Überlegungen müssen ausreichen, um alle Projekte, die laufenden wie die geplanten, einer entsprechenden kontinuierlichen Prüfung und Nachjustierung zu unterziehen.
Der Bürgermeister hat am Ende seiner Präsentation den Begriff der Dynamik als Kennzeichen und Motto für die Entwicklung der Stadt eingebracht und ja: sie ist dynamisch. Und ja, wir haben einen dynamischen Bürgermeister, der auch ganz offensichtlich Visionen hat und der Gelegenheiten, die sich ergeben, beim Schopf packt und mit Konsequenz durchzieht. Dies ist beeindruckend und verdient den Respekt. Aber wie so oft ist die Balance das entscheidende Kriterium.
Wenn Dynamik sich zu einem Hochgeschwindigkeitsprozess verändert, sieht man die Umgebung nicht mehr richtig. Also Geschwindigkeitskontrollen und Frühwarnsysteme entwickeln.
Aus Konsequenz und Stringenz kann Verbissenheit werden und Visionen können sich zu Albträumen verwandeln. Bisher lief alles weitgehend wie geplant. Aber Parameter verändern sich gerade, Risiken steigen und von daher appelliere ich nochmal, Prozesse und Plattformen zu entwickeln, in denen in einem kontinuierlichen Prozess Belastungstests der Projekte durchgeführt werden und alle Entscheidungsträger mit einbezogen werden. Ich schlage in diesem Zusammenhang vor, das Format der unterjährigen Berichterstattung über die Haushaltentwicklung sowohl in der Frequenz (also etwa vierteljährlich) als auch in der inhaltlichen Strukturierung (Stresstests der kostenintensiven Projektverläufe, Risikobewertung der externen Parameter) entsprechend auszubauen.
Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion wird dem Haushalt in der vorgelegten Form zustimmen.
Ich danke Frau Kohlhepp und ihrem Team für die wie immer verlässliche Kooperation und ihre Bereitschaft, unkompliziert und dennoch professionell alle Fragen zu beantworten.